Umsatzsteigerung durch Kulturmarken? – NEUSCHWANSTEIN

Umsatzsteigerung durch Kulturmarken? – NEUSCHWANSTEIN

Der Fall. Es gibt besonders herausragende Kulturmarken. Wer kennt es nicht: Neuschwanstein. Das weltberühmte Schloss König Ludwigs II von Bayern.

Schloss Neuschwanstein goodwillprotect.com

Sein Name – Der Stein vom neuen Schwan – bringt die Verbundenheit Ludwigs mit Richard Wagner zum Ausdruck. In dessen Oper Lohengrin erscheint der Schwanenritter Lohengrin auf einem Kahn, den ein silberner Schwan zieht.

Um einer Verramschung und Verwässerung dieses Kulturgutes entgegenzuwirken, ließ der Freistaat Bayern, dem das Schloss gehört, im Jahre 2005 eine deutsche Marke mit der Bezeichnung

 

 

für viele Waren und Dienstleistungen registrieren. Die Marke sollte nur von solchen Lizenznehmern benutzt werden dürfen, deren Waren und Dienstleistungen „eingedenk des kulturellen Auftrags qualitativ hochwertig“ sind und die „bayerische Kultur widerspiegeln“.

Dadurch sah der Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise e. V. allerdings die Umsätze vieler seiner Mitglieder gefährdet und beantragte die Nichtigkeit dieser Marke.

Der Bundesgerichtshof gab dem Verband im Jahre 2012 Recht. Der Verkehr sehe die Marke nicht als Produktkennzeichen an. Die Waren würden typischerweise als Reiseandenken oder -bedarf vertrieben. Auf ihnen habe der Name NEUSCHWANSTEIN nur die Funktion einer Bezeichnung der Sehenswürdigkeit. Der Marke fehle jede Unterscheidungskraft. NEUSCHWANSTEIN wurde weitestgehend gelöscht.

Der Freistaat Bayern hatte im Jahre 2011 den Namen NEUSCHWANSTEIN jedoch auch als Unionsmarke eintragen lassen.

Auch hiergegen ging der Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise e. V. nun vor. Er berief sich auf die Entscheidung des BGH. Zudem werde „Neuschwanstein“ für Souvenirartikel nur als beschreibender Hinweis auf den Ort aufgefasst, an dem diese Waren angeboten würden. Die Marke sei auch deshalb nicht unterscheidungskräftig.

War das richtig?

Die Souvenirartikelfunktion ist keine Eigenschaft von Produkten und Dienstleistungen. Sie beruht lediglich auf Marketingerwägungen. Eine Tasse bleibt eine Tasse, auch wenn sie als Souvenir verkauft wird. Und das Wort „Neuschwanstein“ selbst sagt nichts aus über die Eigenschaften der Produkte und Dienstleistungen, beschreibt diese somit nicht. Die Verkehrskreise sehen in NEUSCHWANSTEIN vernünftigerweise auch keinen beschreibenden Hinweis auf den Vertriebsort. Das Schloss ist nämlich nicht wegen der dort verkauften Souvenirartikel oder angebotenen Dienstleistungen bekannt, sondern wegen seiner architektonischen Einzigartigkeit.

NEUSCHWANSTEIN ist daher nach Ansicht des EuGH nicht beschreibend. Auch wenn es auf Souvenirartikeln erscheint, beschreibt es diese nicht. Es ist weder ein Werbemittel noch ein werbender Slogan. Das Schutzhindernis einer möglichen beschreibenden Wirkung schied aus (Freihaltebedürfnis).

Ob das Wort NEUSCHWANSTEIN aus anderen Gründen nicht die nötige Unterscheidungskraft hat, weil es nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, brauchte der Gerichtshof nicht zu entscheiden (Schutzhindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft). Aber die Vorinstanzen hatten auch dieses Schutzhindernis verneint.

Folgerichtig wurde der Nichtigkeitsantrag gegen die Unionsmarke NEUSCHWANSTEIN zurückgewiesen,

 

Gerichthof der Europäischen Union, 6. September 2018, C 488/16 P.

 

Learnings: Die Entscheidung des Gerichtshofs zeigt, dass Unternehmen für ihre Produkte von der Strahlkraft von Kulturmarken profitieren können. Entsprechend wurde die Marke „WINDSOR CASTLE“ als Unionsmarke für eine Vielzahl von Produkten zugelassen, weil sie keine konkreten Hinweise auf die betreffenden Waren oder deren Merkmale enthält. Das Bundespatentgericht hat überraschenderweise jedoch noch im Januar 2023 allerdings die deutsche Markenanmeldung „KÖLNER DOM“ auf der Linie des BGH zurückgewiesen. Der Verkehr sehe hierin lediglich einen motivartigen Hinweis auf die bekannte Sehenswürdigkeit, jedoch kein Herkunftszeichen. Immerhin hat das Gericht die Revision an den BGH zugelassen. Seine Entscheidung darf jetzt mit Spannung erwartet werden.

 

 

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