Täuschung durch Produktion in China mit Schweizerkreuz
Der Fall: Die Supermarktkette „real“ vertrieb in ihren großen Supermärkten Gepäckstücke des bekannten schweizerischen Traditionsunternehmens Wenger S.A. Wenger ist neben Victorinox Hersteller des berühmten Schweizer Taschenmessers und gehört heute zu Victorinox. Wie die Wenger-Taschenmesser enthielten auch die Gepäckstücke das typische Wenger-Kreuz. Das Wenger-Kreuz ähnelt stark dem Schweizerkreuz:
Die Gepäckstücke hatte Wenger allerdings nicht in der Schweiz, sondern in China produzieren lassen. Den Gepäckstücken konnte das nicht entnommen werden.
Das Landgericht Hamburg verbot den Vertrieb der Gepäckstücke mit einstweiliger Verfügung. Der deutsche Verkehr entnehme dem Emblem, dass die Trolleys, Taschen und Rucksäcke in der Schweiz hergestellt wurden. Tatsächlich seien die Gepäckstücke aber in China produziert worden. Das Wenger-Kreuz erwecke daher zu Unrecht hohe Erwartungen in die Schweizer Qualität und Verlässlichkeit der Gepäckstücke.
In einer sehr sorgfältig begründeten Entscheidung hat das OLG Hamburg diese einstweilige Verfügung in einem vom Autor dieses Beitrags vertretenen Fall allerdings aufgehoben. Danach täuscht das Schweizerkreuz auf Gepäckstücken den deutschen Durchschnittsverbraucher nicht über einen Produktionsort in der Schweiz. Der Durchschnittsverbraucher weiß nämlich auch in Deutschland, dass Gepäckstücke heutzutage am weltweit günstigsten Produktionsort produziert werden. Gepäckstücke setzen keine außergewöhnliche Schweizer Fertigungskompetenz voraus. Sie benötigen auch keine kurzen Transportwege, wie etwa bestimmte Schweizerische Lebensmittelspezialitäten. Zudem ließ auch das im Fall verhältnismäßig günstige Preisniveau keine Produktion in der Schweiz erwarten.
Der Durchschnittsverbraucher nimmt das Wenger-Kreuz auf Gepäckstücken deshalb als Teil des Unternehmenslogos von Wenger wahr. Das Kreuz weist auf die Wenger S.A. und ihren Sitz in der Schweiz hin, nicht aber zugleich auf das Herstellungsland der Ware.
Auch dass die Gepäckstücke keinen Hinweis „made in China“ oder „made in PRC“ enthielten, führte nicht zu einer verbotenen Täuschung der Kunden in Deutschland. Wo die Gepäckstücke hergestellt wurden, war nämlich nicht relevant. Sie können in gleicher Qualität wie in der Schweiz auch in China hergestellt werden, OLG Hamburg, 05. Dezember 2019, 5 U 44/19.
Learnings: Wenn Sie auf ihren Produkten ein dem Schweizerkreuz ähnliches Symbol anbringen wollen, müssen Sie die Art des Produktes sorgfältig analysieren. Ein Kreuz auf Gepäckstücken kann anders zu beurteilen sein als auf Uhren oder Lebensmitteln. Auch ist zu prüfen, ob der Verkehr durch das Kreuz nur über den Produktionsort oder auch über andere Erwartungen, etwa die Qualität, getäuscht werden könnte. Das OLG Hamburg hat diese Frage nur für die Täuschung über den Produktionsort bei Gepäckstücken beantwortet. Auch hat es nicht entschieden, ob das Schweizer Kreuz selbst verletzt wurde. Ihr Projekt setzt somit eine sorgfältige Analyse voraus, um nicht zu scheitern.