Strafbarkeit trotz anwaltlicher Beratung
Der Fall: Der deutsche Geschäftsführer einer Spedition verließ sich auf den Rat mehrerer Anwälte und unterstützte deshalb einen italienischen Produzenten von Bauhausmöbeln. Das Geschäftsmodell des Produzenten war insofern heikel, als die Produktion und der Verkauf seiner Waren in Italien zulässig waren, der Verkauf in Deutschland jedoch gegen Urheberrechte verstieß. Der Spediteur dachte nicht an eine Strafbarkeit seines Handelns.
Was lag also näher, als nicht direkt nach Deutschland zu liefern, sondern in Italien ein Auslieferungslager zu unterhalten und die deutschen Kunden zu veranlassen, die Ware in Italien selbst abzuholen. Die deutschen Kunden sollten auch einfach nur den Spediteur beauftragen können, der ihnen die Ware nach Deutschland bringt und dort gleich auch den Kaufpreis einkassiert. Man brauchte für dieses Umleitungsmodell in Deutschland nur noch die Werbung zu schalten. Von einer Website konnten die deutschen Kunden dann ein Bestellformular abrufen und erhielten alle Informationen.
Die Idee zu diesem Geschäftsmodell hatten mehrere Anwälte allgemein befürwortet. Der Anwalt des Spediteurs hatte gemeint, die Einfuhr nach Deutschland müsse auch EU-rechtlich möglich sein. Hierzu dürfte das Warenlager nur nicht in Deutschland liegen und müssten die Kunden in der Auswahl der Spedition frei sein. Der Anwalt des italienischen Produzenten hatte dem Spediteur gesagt, dass die Gefahr einer Strafverfolgung nicht mehr bestehe, wenn das Auslieferungslager nach Italien verlegt werde. Das habe ihm sein Frankfurter Rechtsanwalt geraten. Und schließlich meinte ein dritter befragter Frankfurter Rechtsanwalt, er sehe grundsätzlich kein Problem, müsse die Frage aber abklären. Eine weitere Abklärung durch ihn erfolgte nicht.
Der Spediteur wunderte sich deshalb nicht schlecht, als er nach Praktizierung des Modells wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Urheberrechtsverletzung angeklagt wurde. Eine Strafbarkeit seines Handelns sei nicht gegeben. Er habe doch keine Schuld. Mehr als seine Anwälte befragen könne er nicht, und diese hätten ihm gesagt, dass sein Handeln erlaubt sei.
Der BGH antwortete ihm, dass keiner der anwaltlichen Ratschläge verlässlich gewesen sei. Er habe das erkennen können und deshalb sei seine Schuld nicht ausgeschlossen.
Verlässlich sei der Rechtsrat eines Rechtsanwaltes nur, wenn er nach eingehender sorgfältiger Prüfung aller Sachverhaltselemente erfolgt und der Anwalt eine Strafbarkeit eindeutig und klar verneint. Bei komplexen Sachverhalten und erkennbar schwierigen Rechtsfragen ist hierfür regelmäßig ein detailliertes, schriftliches Gutachten erforderlich. Der Anwalt eines Beteiligten, wie hier der Anwalt des Herstellers, scheide als Ratgeber aus, weil er Eigeninteressen verfolgen und nicht neutral sein könne.
Weil der Spediteur die Umstände kannte, aufgrund derer die Anwaltsauskünfte nicht verlässlich waren, rechnete er mit der Möglichkeit, dass der italienische Produzent in Deutschland eine strafbare gewerbsmäßige Urheberrechtsverletzung beging und er eine solche letztlich unterstützte. Er wusste ja, dass das gesamte Vermarktungsmodell gezielt auf den deutschen Markt ausgerichtet war. Sein Irrtum über die Rechtmäßigkeit seines Handelns war vermeidbar und deshalb unbeachtlich.
Der Spediteur wurde wegen strafbarer Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in 485 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt, BGH – Italienische Bauhausmöbel, Urteil vom 11.10.2012, 1 StR 213/10.
Learnings: Der Fall aus dem Urheberrecht ist beispielhaft auch für das Markenrecht. Denken Sie an die Strafbarkeit von vorsätzlichen Markenrechtsverletzungen. Scheint eine Markenverletzung möglich, holen Sie die Auskunft eines nicht für Dritte in der Sache tätigen Rechtsanwalts ein. Der Anwalt muss Ihnen nach sorgfältiger Prüfung des vollständigen Sachverhaltes einen ausführlich begründeten schriftlichen Freibrief erteilen. Je komplexer und schwieriger die Rechtsfrage ist, desto destaillierter muss die Stellungnahme des Anwaltes ausfallen. Verlassen Sie sich nicht auf Adhoc-Auskünfte; Auskünfte mit „Feigenblattfunktion“ haben im Wirtschaftsstrafrecht keinen Wert.