Sargnagel für Marken: Fehlende Unterscheidungskraft – KÖLNER DOM
Der Fall: Ob eine fehlende Unterscheidungskraft einer Marke anzunehmen ist, ist nicht leicht zu entscheiden.
Wir hatten bereits darüber berichtet, dass der Freistaat Bayern die Unionsmarke
als Wortmarke in der Europäischen Union registrieren konnte. 12 Tage nach der bestätigenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs fühlte sich auch die Hohe Domkirche zu Köln ermutigt, den Namen ihrer weltberühmten Kathedrale
als deutsche Wortmarke anzumelden.
Beide Wortmarken wurden für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, unter anderem für Bekleidungstücke, angemeldet. Eigentlich sind die Sachverhalte gleich. Und in beiden Fällen ging es unter anderem um die Frage, ob diese Bezeichnungen für Bekleidungstücke unterscheidungskräftig und damit schutzfähig sind:
Der Europäische Gerichtshof hatte die Unterscheidungskraft bejaht, der BGH hat sie im Anschluss daran und in Kenntnis dieser Entscheidung jedoch verneint.
Worin lagen nun die wesentlichen Unterschiede in der Beurteilung der Unterscheidungskraft beider Marken?
Unterscheidungskraft
Eine Marke muss für ihre Schutzfähigkeit geeignet sein, von den Verkehrskreisen als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden. Dafür muss sie in der Lage sein, die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Fehlende Unterscheidungskraft
Keine Unterscheidungskraft hat eine Marke jedoch, wenn sie das Produkt oder seine Merkmale ausschließlich und sofort verständlich mit mindestens einer möglichen Bedeutung beschreibt (sogenanntes Freihaltebedürfnis). Oder wenn die Verkehrskreise das Markenwort nur als solches, nicht aber als Unterscheidungsmittel verstehen (sogenanntes Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft). Die beiden Schutzhindernisse überschneiden sich teilweise. Einer Marke, die das Produkt oder seine Merkmale beschreiben kann, fehlt automatisch auch jegliche Unterscheidungskraft.
Dieselben Maßstäbe angewendet
Beide Gerichte legten diese Maßstäbe zugrunde. Sie stützten sich für ihre unterschiedliche Beurteilung sogar auf dieselben Umstände. So akzeptierten beide Gerichte, dass die jeweiligen Namen auf das ihnen zugrunde liegende Bauwerk hinweisen. Und, dass die Bekleidungstücke Waren des täglichen Verbrauchs sind.
Beschreibung?
Aber der EuGH verneinte eine Beschreibung der Bekleidungsstücke, während der BGH sie bejahte.
Der EuGH wies darauf hin, dass das Schloss Neuschwanstein für T-Shirts oder deren Merkmale nicht bekannt ist und sein Name deshalb auch kein objektives, dem Wesen von T-Shirts innewohnendes Merkmal bezeichnet. Dass T-Shirts auch als Souvenirartikel vermarktet werden, sei unbeachtlich. Die Souvenireigenschaft einer solchen Ware des täglichen Verbrauchs hänge vom freien Willen des Käufers ab, nicht aber vom Wesen der Ware. NEUSCHSCHWANSTEIN könne nicht gelöscht werden.
Der Bundesgerichtshof hingegen führte aus, dass T-Shirts, die die Bezeichnung KÖLNER DOM tragen, regelmäßig als Souvenirartikel vermarktet werden und zur Erinnerung an die berühmte Stätte vermarktet werden. Damit stehe ein beschreibender Sinngehalt im Vordergrund. Der Verkehr sehe KÖLNER DOM nicht als Unterscheidungsmittel an. Die Marke sei nicht schutzfähig.
Angeblich kein Widerspruch
Der BGH sah jedoch keinen Widerspruch zwischen beiden Ergebnissen. Denn der EuGH habe seine Beurteilung nur auf den Aspekt der (verneinten) beschreibenden Bedeutung von Neuschwanstein gestützt; er, der BGH, leite aus der (bejahten) beschreibenden Bedeutung jedoch nur ab, dass der Verkehr die Bezeichnung Kölner Dom nur als eine solche, nicht aber als Unterscheidungsmittel ansehe.
Beide Entscheidungen seien lediglich zu zwei unterschiedlichen Aspekten der Unterscheidungskraft ergangen, nämlich dem Freihaltebedürfnis (EuGH) und dem Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft (BGH).
BGH, Beschluss vom 12.10.2023 – I ZB 28/23
Learnings: Wer eine europäische Marke anmeldet, die aus dem Namen einer berühmten historischen Stätte abgeleitet ist, hat gute Chancen, dass diese als Marke eingetragen wird. Dementsprechend sind die Bezeichnungen zahlreicher Schlösser und historischer Stätten für „typische Souvenirartikel“ als Marken eingetragen worden (z.B. „Alhambra“, „Tower of London“, „Buckingham Palace“, „Windsor Castle“, „Sanssouci“). In Deutschland ist das leider nicht so. Sind die angemeldeten Waren typische Souvenirartikel, könnte der Bezeichnung die fehlende Unterscheidungskraft entgegen stehen. Und auf Basis der deutschen Rechtsprechung könnte auch die Nichtigkeit der europäischen Marken wegen eines absoluten Schutzhindernisses betrieben werden.
Man mag sich fragen, ob der Wirtschaft mit solchen Entscheidungen geholfen wird. Schließlich trifft sie mit ihren Marken wirtschaftlich relevante Investitionsentscheidungen. Legt man die Auffassung des BGH zugrunde, hätte der EuGH die Schutzfähigkeit von Neuschwanstein verneinen müssen. Dass er dieses nicht getan hat, sollte zu denken geben. Eine für alle verbindliche Klärung der Rechtslage durch den EuGH sollte deshalb dringend angestrebt werden.
Bis dahin ist es ratsam, die Namen historischer Stätten nur für solche Waren und Dienstleistungen anzumelden, die jedenfalls nicht als Souvenirartikel im Betracht kommen. Dafür sollte das Warenverzeichnis nur solche Einzelwaren oder -dienstleistungen enthalten, die keine üblichen Souvenirartikel sind bzw. für die der Name nicht beschreibend sein kann. Nach Möglichkeit sollten deshalb keine allgemeinen Oberbegriffe verwendet werden, die übliche Souvenirartikel und einzelne Dienstleistungen einschließen, für die das Markenwort beschreibend sein kann.