Markenerhalt nach Einstellung der Produktion – TESTAROSSA
Der Fall: Ein Markenerhalt nach Einstellung der Produktion stellt viele Markenbesitzer vor große Herausforderungen.
Zwischen 1984 und 1991 vertrieb Ferrari ca. 7000 Exemplare eines Supersportwagens unter der Bezeichnung
Der Wagen wurde unter anderem als Polizeifahrzeug in der Fernsehserie „Miami Vice“ und als Fahrzeug von Prominenten weltberühmt:
TESTAROSSA bedeutet „Roter Kopf“ und spielt auf die rotlackierten Ventildeckel des Sportwagens an:
Als Marke wurde TESTAROSSA unter anderem in Deutschland in den Jahren 1987 und 1990 für „Fahrzeuge, insbesondere Automobile und Teile davon“ registriert.
Als der für seine originalgetreuen Spielzeugautos bekannte Nürnberger Spielwarenfabrikant Kurt Hesse feststellte, dass Ferrari seit mehr als 20 Jahren keine TESTAROSSA-Sportwagen mehr verkaufte, meldete er im Jahre 2014 eine eigene Marke TESTA ROSSA an. Er wollte den bekannten Markennamen für Fahrräder, eBikes und Rasierer nutzen.
Ferrari legte gegen diese Markenanmeldung Widerspruch ein.
Im Gegenzug beantragte Hesse die Löschung der deutschen TESTAROSSA-Marken wegen Nichtbenutzung. Es sei kein Neuwagen in den letzten fünf Jahren vor dem Löschungsantrag mehr verkauft worden. Die Marken seien unbenutzt und nur noch aufgrund ihrer Vergangenheit bekannt. Allen Wirtschaftsteilnehmern müsse es aber freistehen, unbenutzte Marken wieder zu verwenden.
Ferrari argumentierte, dass man im relevanten Zeitraum gebrauchte und von ihr geprüfte TESTAROSSA-Fahrzeuge weiterverkauft habe. Zudem biete man dauerhaft insbesondere Wartungs-, Reparatur-, Restaurierungs- und Zertifizierungsdienstleistungen für das TESTAROSSA-Modell an. Man unterhalte auch ein Lager mit Ersatz- und Zubehörteilen für die fraglichen Fahrzeuge. So habe man in Deutschland ca. 77 mit der Marke gekennzeichnete Ersatzteile pro Jahr verkauft. Dabei sei ein durchschnittlicher Jahresumsatz in Höhe von 2.800 € erzielt worden. Große Umsätze seien bei dem fraglichen Nischenmarkt ohnehin nicht erforderlich.
Dessen ungeachtet, verurteilte das Landgericht Düsseldorf Ferrari zur Einwilligung in die Löschung der angegriffenen Marken. Das Oberlandesgericht Düsseldorf allerdings hatte Zweifel an diesem Ergebnis. Es befragte den Europäischen Gerichtshof nach den Kriterien für die Beurteilung der Löschungsreife der Marken im vorliegenden Fall nach Einstellung der Produktion.
In seiner aufsehenerregenden Antwort stellte der Gerichtshof zunächst klar, dass ein Markeninhaber seine Marke nicht nur bei dem erstmaligen Vertrieb von Neuware, sondern auch beim Vertrieb von gebrauchten Waren benutzen und dadurch im Recht erhalten kann. Selbst wenn die Waren schon einmal verkauft wurden, kann die Marke nämlich auch bei einem erneuten Vertrieb auf den betrieblichen Ursprung des Produktes hinweisen. Anders als das Landgericht gemeint hat, ist in dem Zusammenhang unbeachtlich, das Dritte Markenware, die vom Markeninhaber in Verkehr gebrachte wurde, frei weiterverkaufen dürfen. Daraus folge nämlich nichts für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung.
Weiter wies der Gerichtshof darauf hin, dass die Benutzung einer Marke für Ersatz- und Zubehörteile eine Benutzung der Marke für die Hauptwaren darstellt. Ersatzteile gehören nämlich zur Zusammensetzung oder Struktur der Hauptwaren und sind deren Bestandteil. Zubehörteile stehen mit den Hauptwaren in unmittelbarem Zusammenhang und befriedigen die Bedürfnisse der Abnehmer gerade dieser Hauptwaren. Wenn solche Waren somit unter der Marke vertrieben werden, werden sie von den Verbrauchern ohne weiteres auch auf die bereits vertriebenen Hauptwaren bezogen: Die Marke wird dann im Ergebnis für die Hauptwaren benutzt, obwohl tatsächlich nur Ersatz- und Zubehörteile unter der Marke vertrieben werden. Der Vertrieb der Ersatz- und Zubehörteile unter der Marke TESTAROSSA war deshalb – vorbehaltlich einer weiteren Überprüfung durch das OLG Düsseldorf – eine Benutzung der Marke für die registrierten Kraftfahrzeuge. Es kam nicht mehr darauf an, dass Ferrari seine Marke daneben sogar für die Ersatzteile registriert hatte.
Der Gerichtshof stellte auch klar, dass die gleichen Grundsätze auch für die Wartungs-, Reparatur-, Restaurierungs- und Zertifizierungsdienstleistungen von Ferrari gelten. Auch diese Dienstleistungen stehen nämlich mit den Hauptwaren im unmittelbaren Zusammenhang und befriedigen die Bedürfnisse der Abnehmer gerade der Hauptwaren. Wenn diese Dienstleistungen tatsächlich unter der Marke TESTAROSSA erbracht wurden, was vom Oberlandesgericht noch bestätigt werden musste, ist auch hierin eine Benutzung der Marke für Kraftfahrzeuge zu sehen.
Alle von Ferrari genannten Benutzungshandlungen konnten somit eine wirksame Benutzung der TESTAROSSA-Marken für Kraftfahrzeuge darstellen, wenn die Marke dabei tatsächlich auch verwendet wurde.
Damit kam es auf die weitere Frage der Ernsthaftigkeit der Markenbenutzung an. Waren die nachgewiesenen Markenbenutzungen aufgrund ihres geringen Umfangs etwa nur symbolisch, was für einen Rechtserhalt der Marken nicht ausgereicht hätte?
Das Oberlandesgericht hatte wegen des geringen Umfangs der Benutzungshandlungen Zweifel an dieser Ernsthaftigkeit, wenn für diese Beurteilung auf den riesigen Referenzmarkt der Kraftfahrzeuge in Deutschland abzustellen sein sollte, für die die ja Marken registriert waren.
Der Gerichtshof machte klar, dass als Referenzmarkt nur der gesamte Markt der Kraftfahrzeuge in Betracht kommt. Die Benutzung für eine Spezialware bzw. spezielle Dienstleistung kann lediglich für einen solchen Oberbegriff rechtserhaltend wirken, der Waren bzw. Dienstleistungen aufgrund gleicher Eigenschaften und Zwecke kohärent zusammenfasst. Luxussportwagen stellen im Markt der Kraftfahrzeuge jedoch keine abgrenzbare kohärente Untergruppe dar.
Wie normale Kraftwagen können sie nämlich zur normalen Personen- und Gepäckbeförderung benutzt werden. Dass sie auch für Autorennen benutzt werden können, führt nicht zur Annahme einer eigenständigen Warengruppe. Wenn eine Ware nämlich mehrere Zwecke gleichzeitig erfüllt, wäre es willkürlich, davon nur auf einen einzelnen Zweck zur Bildung einer kohärenten Warengruppe heranzuziehen. Auch dass die Sportwagen luxuriös und hochpreisig sind und in einem „besonderen Marktsegment“ vertrieben werden, ist für die Definition der Warengruppe nicht relevant. Denn diese Kriterien sagen nichts über die allein relevanten Eigenschaften und Zweckbestimmung der Fahrzeuge aus.
Für den Rechtserhalt der TESTAROSSA-Marken kam es deshalb darauf an, ob die Umsatzzahlen gemessen am Markt der Kraftfahrzeuge in Deutschland ausreichend waren, um Marktanteile in dem Markt der Kraftfahrzeuge zu behalten oder zu gewinnen. Wenn sie nur auf eine symbolische Benutzung hinwiesen, waren sie nicht ernsthaft genug, um die Marken in ihrem Recht zu erhalten. Wie in der Walzertraum-Entscheidung war hier somit ein sehr großer Referenzmarkt maßgeblich!
Anders als bei den handgefertigten Pralinen in der Walzertraum-Entscheidung handelt es sich bei den Luxussportwagen jedoch um extrem hochpreisige Waren, die deshalb naturgemäß nur in geringen Stückzahlen verkauft werden. Davon ausgehend sprachen die erreichten Umsatzzahlen im Gegensatz zur Auffassung der Vorgerichte nicht von vorneherein gegen eine Ernsthaftigkeit der Markenbenutzung durch Ferrari, was jedoch abschließend noch der Beurteilung der Gerichte vorbehalten blieb.
Gerichtshof der Europäischen Union, 22. Oktober 2020, C-720/18.
Learnings: Wenn Sie Ihre eingeführte Marke nach Einstellung der Produktion der Markenwaren in ihrem Recht erhalten wollen, sollten Sie prüfen, ob ein Vertrieb gebrauchter Waren sowie von Ersatz- und Zubehörteilen und Dienstleistungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit den Waren stehen und die Bedürfnisse der Abnehmer der Hauptwaren befriedigen, unter der Marke in Betracht kommt. Die dadurch erzielten Umsätze müssen gemessen am Referenzmarkt allerdings geeignet sein, um in diesem Markt Marktanteile zu behalten oder zu gewinnen.