Markenbenutzung in der Produktentwicklungsphase ? – Boswelan

Markenbenutzung in der Produktentwicklungsphase ? – Boswelan

Der Fall: Eine Markenbenutzung in der Produktentwicklungsphase wirft Fragen auf, die ein Unternehmer kennen und auf die er sich im Interesse des Erhalts seiner Marke einstellen sollte.

Die britische Firma Viridis Pharmaceutical Limited hatte von ihrer Rechtsvorgängerin die für pharmazeutische Erzeugnisse registrierte Unionsmarke

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aus dem Jahre 2003 übernommen. Die Marke musste für ihren Rechtserhalt innerhalb von 5 Jahren nach ihrer Eintragung ernsthaft benutzt worden sein, somit spätestens am 24. April 2012.

Im Jahre 2013 stellte die Hecht Pharma GmbH einen Antrag auf Erklärung des Verfalls der Marke wegen Nichtbenutzung und meldete sodann im Jahre 2014 dieselbe Bezeichnung für medizinische Präparate als eigene Marke an.

Der Markenname Boswelan ist attraktiv. Er leitet sich von dem Namen der Weihrauchpflanze „Boswellia serrata“ ab und eignet sich an sich gut zur Bezeichnung von medizinischen Präparaten aus Weihrauchextrakt.

Viridis hielt den Verfallsantrag für unbegründet. Schließlich hatte man einen standardisierten Weihrauchextrakt zur Therapie bei schubförmiger multipler Sklerose entwickelt. Und noch im Jahre 2010 hatte man einen Antrag auf Genehmigung einer Phase-II-Studie zur erstmaligen klinischen Prüfung des Arzneimittels an einer kleinen Gruppe von erkrankten Patienten gestellt, der im Jahre 2011 auch genehmigt wurde. Getestet werden sollten Wirksamkeit und Dosierung des Arzneimittels.

Die durchgeführte sog. SABA-Studie mit insgesamt 28 teilnehmenden Patienten war erfolgversprechend. Sie wurde im Jahre 2017 mit positiven Ergebnissen zur Wirksamkeit des Medikaments beendet. 400.000 Boswelan-Kapseln waren zur Durchführung dieser Studie geliefert worden.

War Viridis damit auf der sicheren Seite?

Für ihren Rechtserhalt muss eine Unionsmarke binnen fünf Jahren nach ihrer Eintragung ernsthaft benutzt werden. Liegt keine ernsthafte Benutzung vor, können triftige Gründe für die Nichtbenutzung über diesen Mangel hinweghelfen.

Für das hiernach zunächst relevante Erfordernis der ernsthaften Benutzung muss die Marke in einer Weise benutzt werden, die mit ihrer Hauptfunktion übereinstimmt. Die Benutzung muss deshalb die Ursprungsidentität der für die Marke registrierten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen garantieren. Und sie darf nicht nur symbolisch sein, sondern muss tatsächlich das Ziel verfolgen, für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Damit muss sich die Benutzung auf Waren und Dienstleistungen beziehen, die bereits vertrieben werden oder deren Vertrieb von dem Unternehmen zur Gewinnung von Kunden, insbesondere im Rahmen von Werbekampagnen vorbereitet wird und unmittelbar bevorsteht. Die Benutzung muss öffentlich und nach außen gerichtet sein mit dem Ziel, auf dem fraglichen Markt vorzudringen.

Legt man das zugrunde, lag eine Benutzung der Marke nicht vor. Der Vertrieb des mit der Marke bezeichneten Arzneimittels zur Behandlung der Multiplen Sklerose und seine Bewerbung konnten schon deshalb nicht erfolgt sein, weil sie im Stadium der klinischen Studie verboten waren. Die Studie diente somit lediglich der internen Überprüfung des Arzneimittels bei Viridis und betraf nicht seine Vermarktung. Sie war nicht die erforderliche, nach außen gerichtete Handlung.

Viridis konnte sich auch nicht darauf berufen, dass der Vertrieb des Medikamentes am 24. April 2012 unmittelbar bevorgestanden hatte. Denn zu diesem Zeitpunkt war nicht mit einem baldigen erfolgreichen Abschluss der Studie zu rechnen.

Zudem wäre ein Absatz von nur 400.000 Kapseln nicht ausreichend gewesen, um als ernsthafte Benutzung der Marke für pharmazeutische Erzeugnisse angesehen werden zu können. In der Pharmabranche sind regelmäßig viel größere Umsätze erforderlich, um Marktanteile zu gewinnen oder zu behalten.

Aber Viridis berief sich auf die besondere Interessenlage der pharmazeutischen Industrie. Diese sei dem Zwang zur Durchführung von umfangreichen klinischen Prüfungen für jedes neue Arzneimittel ausgesetzt. Jedoch rechtfertigt auch diese Interessenlage es nicht, die Markenbenutzung im Rahmen der internen klinischen Studie als rechtserhaltende Benutzung anzuerkennen. Ferner rechtfertigt auch diese Interessenlage keine Ausdehnung der 5-jährigen Frist, binnen der die Aufnahme der Benutzung einer Marke zu erfolgen hat. Und sie rechtfertigt keine Anpassung der Anforderungen an den erforderlichen Benutzungsumfang, nur weil ein relativ kleiner Abnehmerkreis und eine beschränkte Anzahl von Teilnehmern in die Studien einbezogen sind.

Viridis brauchte deshalb triftige Gründe, um die Nichtbenutzung seiner Marke zu rechtfertigen. Solche Gründe sind nach dem Völkerrecht (TRIPS) und nach der Rspr. des Gerichtshofs der Europäischen Union, der an das Völkerrecht gebunden ist, jedoch nur Hindernisse, die einen ausreichenden unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke aufweisen. Diese Hindernisse müssen die Benutzung der Marke unmöglich oder unzumutbar machen. Insbesondere dürfen sie nicht vom Willen des Markeninhabers abhängig sein. Triftige Gründe dafür, dass die Frist für die Aufnahme der Benutzung einer Marke nicht eingehalten werden konnte, sind etwa Einfuhrbeschränkungen, sonstige staatliche Vorschriften oder bürokratische Hindernisse, deren Dauer der Markeninhaber nicht beeinflussen kann. Ein arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren wäre ein solcher triftiger Grund gewesen. Es wurde jedoch nicht eingeleitet.

Die Durchführung einer klinischen Studie kann im Allgemeinen zwar ebenfalls einen Grund für die Nichtbenutzung einer Marke darstellen. Aber Viridis konnte die Dauer der Studie durch Einsatz finanzieller Mittel beeinflussen. Dass das nicht in ausreichendem Umfang geschah, lag allein im Verantwortungsbereich von Viridis.

Zudem waren die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung der Teilnehmer und angesichts der strengen Auswahlkriterien für Viridis vorhersehbar, so dass man sich darauf einstellen konnte.

Triftige Gründe zur Rechtfertigung der Nichtbenutzung konnte Viridis somit nicht vorbringen.

Im Ergebnis war die Marke deutlich zu früh angemeldet worden, um noch fristgerecht für die Vermarktung des Arzneimittels zur Bekämpfung der Multiple Sklerose benutzt werden zu können.

Die Marke wurde folglich wegen Nichtbenutzung gelöscht.

Gerichtshof der Europäischen Union, 3. Juli 2019, C-668/17 P.

 

Learnings: Der Zeitpunkt der Anmeldung einer Marke für ein neues Produkt sollte auf die voraussichtliche Dauer der Produktentwicklung abgestimmt sein. Das fertige Produkt muss innerhalb der 5-jährigen Frist nach Eintragung vermarktet werden können. Gegebenenfalls sollte man mit der Anmeldung der Marke warten und erforderliche Tests des Produktes unter einem Codenamen durchführen. Eine nicht fristgemäße Benutzung der Marke ist nur dann gerechtfertigt, wenn triftige Gründe hierfür existieren. Diese liegen jedoch nur selten vor, weil sie insbesondere vom Willen des Markeninhabers unabhängig sein müssen.

 

Hinweis: Lesen Sie zur ernsthaften Benutzung einer Marke auch den folgenden BestCase, in dem derselbe Kläger gegen eine weitere Marke für ein Mittel mit Weihrauchextrakt mit einem Verfallsantrag vorgegangen ist:

Unbedachtes Warenverzeichnis? – Gufic

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