Löschungsangriff auf störende Domains – energy-collect.de
Der Fall: Ein Löschungsangriff auf störende Domains ist vielfach eine Option, um Beeinträchtigungen durch Domains abzuwehren. Was ist dafür zu beachten?
Joachim Schmid, Vorstand der „on-collect solutions AG“, ließ im Jahre 2010 bei der DENIC die Domains
auf seinen Namen registrieren. Die Domains benutzte Schmid ausschließlich zur Weiterleitung auf die Webseite der „on-collect solutions AG“. Er wollte damit deren Traffic erhöhen. Die „on-collect solutions AG“ ist ein Inkasso-Dienstleister für die Energieversorgungsbranche.
Lange Zeit später, im Jahre 2020, gründeten zwei Gesellschaften des Thüga Konzerns einen konkurrierenden Inkasso-Dienstleister für die Energieversorgungsbranche. Sie nannten ihn griffig, wie die Domains von Schmid:
Der neue Dienstleister fühlte sich naturgemäß alsbald durch die gleichnamigen Domains von Schmid gestört. Hinderten diese doch die Anmeldung einer eigenen energy-collect Domain. Und führten sie zu einer beträchtlichen Zuordnungsverwirrung bei den Kunden im Markt.
Da Schmid die Domains mit keiner aktiven Website betrieb, sah energy-collect Chancen für einen Löschungsangriff auf störende Domains: Man verklagte Schmid auf Einwilligung in die Löschung seiner Domains wegen unberechtigter Namensanmaßung. Und stützte diese Klage auf die Namensrechte an dem Firmennamen „energy COLLECT“.
Zu Recht?
In der Tat verfügte energy COLLECT über die älteren Rechte an dem Namen. Schmid hatte an seinen Domainnamen nämlich überhaupt keine Rechte erlangt, die Dritten gegenüber hätten wirken können.
Die Registrierung der Domains bei der DENIC verschaffte ihm keine solchen Rechte. Hierdurch hatte Schmid nur eine gegenüber der Denic wirkende vertragliche Benutzungsmöglichkeit erworben – wie bei einem Vertrag zur Zuteilung einer Telefonnummer. Und da er die Domains nur als Computeradresse zur Weiterleitung benutzte, nicht aber mit einer eigenen aktiven Webseite, hatte er an diesen auch keine Namens – oder Unternehmenskennzeichenrechte erworben.
Schmid nutzte durch die Aufrechterhaltung der Registrierung und durch ihre Weiternutzung somit tatsächlich den älteren Namen der energy COLLECT unbefugt und löste dadurch auch eine an sich verbotene Zuordnungsverwirrung aus.
Damit eine unbefugte Namensanmaßung letztlich jedoch erfolgreich geltend gemacht werden kann, ist noch eine abschließende Interessenabwägung erforderlich. Denn Namen – auch der Unternehmensname energy Collect – sind Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Personen. Sie stehen mit einer Vielzahl von ebenfalls auf Persönlichkeitsrechten beruhenden Verwenderinteressen anderer Personen in einem Spannungsverhältnis. Deshalb müssen sie überwiegen, damit eine Namenverletzung mit Erfolg geltend gemacht werden kann.
Konnte sich die energy COLLECT gegenüber Schmid auf überwiegende Interessen berufen?
Ja, entschieden die zwei Vorinstanzen in dem Rechtsstreit. Auf Seiten von Schmid komme nur das Interesse an einer rein technischen Verwendung der Domains für die Weiterleitung auf ein Drittunternehmen in Betracht. Das sei jedoch kein spezifisch namensrechtliches Interesse und deshalb nicht schutzwürdig. Die Vorinstanzen verurteilten Schmid folglich zur Einwilligung in die Löschung seiner Domains.
Dem allerdings widersprach der Bundesgerichtshof. Es seien im Rahmen der Interessenabwägung alle Interessen zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbesondere wirtschaftliche Interessen des Domaininhabers, somit auch das Interesse an der Benutzung von Domains zur Weiterleitung auf eine andere Website, um deren Google-Ranking zu beeinflussen.
Die energy COLLECT hatte demgegenüber die schlechteren Interessen an der Benutzung ihres Namens. Denn sie hätte sich bei der Schaffung ihres Firmennamens auf Beeinträchtigungen durch die bereits existierenden Domains einstellen können. Und sie konnte gegebenenfalls auf einen anderen Namen ausweichen. Eine Verletzung ihrer älteren Namensrechte lag deshalb nicht vor.
Die Entscheidung des BGH ist richtig. Denn auch die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen ist Bestandteil der freien Entfaltung der Persönlichkeit und wird durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Domaininhabers geschützt. Das ältere Namensrecht findet seine Grenze an besseren Interessen anderer zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit.
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache für weitere Feststellungen an das Berufungsgericht zurück.
BGH, 26. Oktober 2023, I ZR 107/22.
Learnings: Wenn Sie für Ihr Unternehmen einen Firmennamen entwickeln wollen, sollten Sie darauf achten, dass aus diesem Firmennamen gebildete Second-Level-Domains verfügbar sind und noch registriert werden können. Ist das nicht der Fall, können Sie nicht darauf vertrauen, dass ein Löschungsangriff auf störende Domains Erfolg hat und Sie aus Ihren Namensrechten an dem neuen Firmennamen mit Erfolg die Löschung bereits existierender Domains betreiben können.