Frei für alle oder nur für München? – OKTOBERFEST
Der Fall: Die bayerische Landeshauptstadt München veranstaltet seit mehr als 200 Jahren das von ihr so genannte OKTOBERFEST. Erstmalig wurde es am 12. Oktober 1810 aus Anlass der Hochzeit des späteren bayerischen Königs Ludwig I gefeiert. Seither findet es in München jährlich statt:
Den Namen ihres wichtigsten Volksfestes meldete sie zu seinem Schutz für ein umfassendes Warenverzeichnis in 28 Klassen in der Europäische Union an:
Schon im Anmeldeverfahren gab es jedoch Beanstandungen, auch von dritter Seite. In diesen Bemerkungen wurde auf weltweit 2054 verschiedene Oktoberfeste hingewiesen. Eine Gattungsbezeichnung, wie Oktoberfest, dürfe nicht zugunsten einer Stadt monopolisiert werden.
Auch der Erstprüfer beim EUIPO akzeptierte die Anmeldung weitgehend nicht. Der Name Oktoberfest bezeichne nur ein Fest im Oktober. Druckereierzeugnisse der Klasse 16 könnten sich thematisch mit einem Oktoberfest auseinandersetzen. Die meisten angemeldeten Waren und Dienstleistungen, wie Bekleidung, Lebensmittel, Reisedienstleistungen oder die Veranstaltung von Volksfesten, könnten auf einem solchen Fest als Veranstaltungsort angeboten werden. Bei Esswaren wie Würsten würden die Verbraucher vermuten, dass sie besonders für ein Oktoberfest geeignet seien. Derartige Waren und Dienstleistungen wiesen einen thematischen Zusammenhang mit dem Fest auf. Deshalb sei der Name für alle diese Waren und Dienstleistungen beschreibend. Als Kennzeichen von München habe sich der Name in der Europäischen Union, insbesondere in Österreich, nach der Beweislage nicht durchgesetzt. Nicht mindestens 50 % der Verkehrskreise würden den Namen mit der Stadt München in Verbindung bringen.
Lediglich für Finanzdienstleistungen, die Versorgung mit Wasser, Filmentwicklung, IT-Dienstleistungen und Lizenzierung, von geistigem Eigentum akzeptierte der Prüfer die Marke. Diese Dienstleistungen hätten mit dem eigentlichen Oktoberfest nichts zu tun. Dafür sei die Marke deshalb unterscheidungskräftig.
Die Stadt München legte gegen die Entscheidung des Prüfers Beschwerde ein, soweit die Marke für die Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen wurde.
Bei der Beschwerdekammer hatte München mehr Glück. Jedoch stellt auch die Beschwerdekammer fest, dass der Name OKTOBERFEST nur ein Volksfest im Oktober bezeichnet. Hauptmerkmale von Volksfesten seien das Angebot von Musik, der Ausschank von Bier, die Verpflegung mit Speisen und Getränken und der Betrieb von Fahrgeschäften und ähnlichen Attraktionen. Diese beschreibe der Begriff Oktoberfest nur dahin, dass sie auf einem Fest im Oktober erbracht werden. Die Marke könne insoweit nicht geschützt werden. Für Lebensmittel und Getränke käme hinzu, dass sie sich durch ihre geschmackliche Konzeption gerade im Hinblick auf den erwarteten Geschmack des Publikums auf einem Oktoberfest auszeichnen können.
Für frisches Obst wurde dieser hinreichend direkte und konkrete Bezug des Namens OKTOBERFEST allerdings verneint. Ebenso für Hoteldienstleistungen. Denn Volksfeste bieten keine Übernachtungsmöglichkeiten an. Es bestehe auch kein hinreichend enger Bezug zwischen der Wortbedeutung und den inhärenten Merkmalen von Fremdenverkehrswerbung, Reisebüros, eines Parkplatzservice oder eines Uniformverleihs.
Wie wurde nun für die angemeldeten Merchandising-Artikel entschieden, etwa für Untersetzer aus Papier für Bierkrüge, Servietten, Spielkarten, Druckereierzeugnisse, die sich thematisch mit dem Fest auseinandersetzen? Dass diese Artikel Souvenirartikel sind, war unbeachtlich. Das wurde in diesem Blog anhand der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes Neuschwanstein bereits gezeigt. Die Möglichkeit, eine Ware als Merchandising-Artikel anlässlich des Besuchs einer bestimmten Veranstaltung zu erwerben, ist ein Merkmal der Veranstaltung, aber kein Merkmal der Ware. Es ist zudem ein legitimes Anliegen eines Markeninhabers, zur Förderung des Absatzes der eigenen Waren die Chance auszunützen, dass sich ein Käufer einer Ware nicht etwa aus Gründen der Qualität, Haltbarkeit, Funktionalität o.ä. der Ware an sich für den Kauf entscheidet, sondern weil ihm ein bestimmtes Wort- oder Bildmotiv auf der Ware aus anderen (z.B. emotionalen) Gründen gefällt. Da nicht nachgewiesen war, dass auf Volksfesten sogenannte Souvenir-Artikel mit den Namen des Volksfestes angeboten werden. wurde die Marke deshalb insoweit für unterscheidungskräftig gehalten.
Galt das auch für Bierkrüge/-gläser und Oberbekleidung, Schuhe und Kopfbedeckungen? Ja meinte die Beschwerdekammer im Anmeldeverfahren. Es sei zwar denkbar, dass ein typischer Oktoberfest-Look existieren kann. Er sei jedoch nicht nachgewiesen worden. Deshalb wurde die Marke für diese Produkte ebenfalls eingetragen.
Allerdings stellte sich nunmehr eine schwedische Anwaltskanzlei quer und reichte einen Nichtigkeitsantrag gegen die Marke ein. Sie war offensichtlich hierzu von einem anonymen Auftraggeber beauftragt worden. Dieser Antrag war bislang teilweise auch erfolgreich.
Biergläser und Bierkrüge sowie Oberbekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen würden auf dem relevanten Markt von vielen verschiedenen Unternehmen als Produkte im „Oktoberfest-Stil“ verkauft. Der Name beschreibe somit ein objektives, den Waren innewohnendes Merkmal. Insoweit sei es unerheblich, ob der maßgebliche Verbraucher das Zeichen als Hinweis auf das Oktoberfest in München oder auf ein beliebiges Oktoberfest an anderen Orten wahrnehme.
Das letzte Wort zu den Biergläsern und Bierkrügen sowie zu Oberbekleidungsstücken, Schuhwaren und Kopfbedeckungen ist damit jedoch noch immer nicht gesprochen. Die Stadt München hat gegen die Löschungsentscheidung der Nichtigkeitsabteilung soeben Beschwerde eingelegt.
Zurückgewiesen wurde der Löschungsantrag zugunsten von München allerdings für Kunstgegenstände aus Glas, Porzellan oder Steinzeug; Tafelgeschirr; Porzellan; nichtelektrische Haushalts- oder Küchengeräte und -behälter, Unterwäsche; Badeanzüge; Mäntel; Uniformen; Stirnbänder; Handschuhe; Overalls; Lätzchen, nicht aus Papier; Schlafanzüge; Spielkleidung für Kleinkinder und Säuglinge. Für diese Produkte bleibt die Marke derzeit eingetragen.
Man sieht, wie schwierig es ist, selbst einen bekannten generischen Volkfestnamen in der Europäischen Union als Marke schützen zu lassen. Beschreibt das Wort OKTOBERFEST Waren oder Dienstleistungen oder ihre Merkmale im normalen Sprachgebrauch? Ist es ein Merkmal von Produkten, dass sie auch auf einem Volksfest getragen oder verwendet werden können?
Man darf gespannt sein, wie der Rechtsstreit in Bezug auf Oberbekleidung, Schuhwaren, Kopfbedeckungen und Trinkgefäße nun ausgeht.
Vierte Beschwerdekammer des EUIPO vom 26. 08. 2020, R 1840/2019-4
Nichtigkeitsabteilung des EUIPO vom 29. 06. 2023, C 53 663.
Learnings: Für die Schutzfähigkeit von generischen Eventmarken kommt es darauf an, ob das Markenwort die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen oder ein beliebiges Merkmal davon hinreichend direkt und konkret beschreiben kann und daher für den Wettbewerb freigehalten werden muss. „Merkmal“ ist jede Eigenschaft der Waren oder Dienstleistungen, die vom angesprochenen Verbraucher im Rahmen seiner Kaufentscheidung leicht als relevant wahrgenommen werden könnte und an die er sich bei Wahrnehmung der Bezeichnung erinnern kann, etwa die Bestimmung, der Wert oder die geografische Herkunft der Produkte oder Dienstleistungen. Es kommt also darauf an, aus welchen Waren und Dienstleistungen das Event besteht, das durch die Marke bezeichnet wird und ob die auf dem Event benutzten Waren oder Dienstleistungen eine eigene Kategorie gerade für das Event darstellen können.
Hinweis: Lesen Sie zur Schutzfähigkeit von Souvenirartikel-Marken folgenden BestCase:
Umsatzsteigerung durch Kulturmarken? – NEUSCHWANSTEIN