Verwechslungsgefahr wegen intuitiver Markenbeurteilung – Levi‘s 501
Der Fall: Alle wissen: Bei der Markenentwicklung muss eine Verwechslungsgefahr wegen intuitiver Markenbeurteilung ausgeschlossen werden. Aber kann eine Bekleidungsmarke, die nur aus der Zahl „101“ besteht, wirklich eine Bekleidungsmarke verletzen, die nur aus der Zahl „501“ besteht?
Nein, dachte sich der Jagdartikelhersteller Blaser und meldete die Marke
101
für Bekleidungsstücke als Europäische Marke an.
Daran nahm jedoch die kalifornische Levi Strauss & Co. Anstoß. Sie verfügt über die ältere Marke
501
und nutzt sie bekanntlich für Jeansbekleidung:
Die Marke „101“ werde für eine Marke von ihr gehalten, trug Levi Strauss vor. Zwei von drei Elementen in gleicher Anordnung seien gleich. Auch würden beide Marken Bekleidungstücke bezeichnen und dieselben Kunden ansprechen. Die Ähnlichkeit von Marken dürfe man nicht lediglich intuitiv beurteilen.
Dem hielt das EUIPO entgegen, dass sich der Kunde Bekleidungsstücke vor dem Kauf genau anschaut. Der visuelle Eindruck sei deshalb stärker als der klangliche oder ein eventueller begrifflicher Eindruck. Der Kunde nehme Bekleidungsmarken auch als Ganzes wahr, ohne sie zu buchstabieren oder zu zerlegen. Da die Zeichen nur kurz seien, würden ihm ihre Unterschiede nicht verborgen bleiben. Der Kunde erkenne deshalb sofort, dass die Marke „101“ aus einer symmetrischen Zahlenanordnung besteht, während die Marke „501“ eine asymmetrische Anordnung enthalt. Der Gesamteindruck sei eben verschieden und die Zeichen deshalb nicht ähnlich. Eine Verwechslungsgefahr bestehe nicht.
War das richtig?
Levi Strauss zog mit der Sache vor das Gericht der Europäischen Union.
Das Gericht bestätigte zunächst alle vom EUIPO genannten Voraussetzungen für die Beurteilung der Ähnlichkeit. Es fügte jedoch hinzu, dass die Unterschiede der Marken so bedeutsam sein müssen, dass sie zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck führen. In bildlicher Hinsicht jedoch seien die beiden Zeichen in zwei von drei Elementen in gleicher Anordnung identisch. Die strukturellen Unterschiede in der Symmetrie der Zahlen und die verschiedenen Zahlen 1 und 5 am Anfang seien demgegenüber zu gering, um die Übereinstimmungen auszugleichen. Es bestand deshalb ein gewisser Grad an bildlicher Ähnlichkeit. Auch in klanglicher Hinsicht waren die Zeichen ähnlich, weil der übereinstimmende Teil klanglich deutlich länger war als der klangliche Unterschied der Anfangszahlen. Eine begriffliche Ähnlichkeit bestand nicht.
Da sich dem Verbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, die verschiedenen Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, muss er sich auf seine unvollkommene Erinnerung an sie verlassen. Seine Erinnerung macht der Verbraucher aber an den Übereinstimmungen der Zeichen fest.
In der Bekleidungsbranche ist es zudem üblich, dass ein und dieselbe Marke je nach Art der Ware, die sie bezeichnet, unterschiedlich gestaltet wird. Es ist auch möglich, dass ein einziger Bekleidungshersteller seine verschiedenen Linien durch Untermarken voneinander abgegrenzt. Solche Marken sind von einer Hauptmarke abgeleitet und teilen mit dieser einen gemeinsamen dominierenden Bestandteil.
Es bestand somit die Gefahr, dass der Verbraucher in der Marke „101“ eine Untermarke von Levi Strauss sieht. Wegen dieser Verwechslungsgefahr wurde die Marke „101“ nicht in Europäischen Union registriert.
Gericht der Europäischen Union, 3. Juni 2015, T-604/13
Learnings: Wenn Sie sich für eine neue Marke entscheiden, achten Sie darauf, dass die Marke insbesondere nicht als Untermarke einer älteren Marke angesehen werden kann. Diese Gefahr besteht insbesondere, wenn die Übereinstimmungen der Zeichen bedeutender sind als die Unterschiede. Dafür müssen Sie die Zeichen genau analysieren. Die Möglichkeit einer Verwechslungsgefahr wegen intuitiver Markenbeurteilung sollte ausgeschlossen sein.
Hinweis: Lesen Sie zur Verwechslungsgefahr von Marken auch den folgenden BestCase: